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Alt 19.06.2019, 09:19   #102
perser

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Gesichter Afrikas: Unter Tuareg in Mali (1)

Wahrscheinlich kennen die meisten hierzulande den Begriff Tuareg nur als SUV-Modell von VW (wobei der deutsche Autokonzern hierfür kurioserweise die französische Schreibweise Touareg gewählt hat). Wer sich für Politik interessiert und Zeitung liest, stößt auf Tuareg zudem praktisch nur noch im Zusammenhang mit Terror und Islamisten, vor allem wenn es um die westafrikanische Republik Mali geht.

Ich war vor ein paar Jahren drei Tage unter Tuareg. Anlass war das jährliche Festival au Désert, ein stark von Musikauftritten geprägtes Freiluftfestival mitten in der Sahara. Zugleich ist es aber auch ein großer Heiratsmarkt, ein Ort für Wettkämpfe auf Kamelen, ein Wiedersehenstreffen für die weitverzweigten Tuareg-Familien. So findet es reihum in den Hauptländern statt, in denen das Nomadenvolk grenzüberschreitend lebt: Algerien, Libyen, Niger, Burkina Faso und Mali.

Ich erlebte das Festival in Mali, konkret in dem Oasendorf Essakane, 70 km westlich von Timbuktu. Hier fand es in der nackten Wüste, eingebettet in Sanddünen statt. Und ja, es war ein einzigartiges Erlebnis, das bis heute sehr lebendig in mir nachhallt. Wir waren nur wenige Touristen, vor allem Franzosen, auch US-Amerikaner, Israelis und halt Deutsche, und bald erkannte man diese nicht mehr. Denn um sich gegen den feinen Sand und die abends empfindlich aufkommende Kälte zu schützen, hatten wir uns auch bald alle in jenen Tagelmust der Tuareg-Männer gehüllt – ein großes Tuch aus Leinen oder Baumwolle, das wie eine Mischung aus Turban und Gesichtsschleier anmutet. Dieses Kleidungsstück kann bis 15 m lang sein.


Beeindruckend war bereits der Einzug der verschiedenen Kamelkarawanen aus allen Himmelsrichtungen. Stolz und beherrscht saßen vor allem die Männer auf ihren weißen oder hellbraunen Dromedaren, die ihrerseits langsam und gemessenen Schrittes durch den Sand stakten. Es wirkte alles wie nicht (mehr) von dieser Welt.


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Übrigens ist „Tuareg“ nur der Plural für dieses zu den Berbern zählende Volk. Der einzelne Mann heiß in ihrer Sprache Targi, die Frau Targia. Sie haben auch eine eigene Schrift: das Tifinagh, das offenbar auf alten phönizischen Buchstaben beruht.


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Einen der Höhepunkte gleich am ersten Tag bildeten kleine Wettbewerbe auf Kamelen, teils auch Pferden. Vor allem jüngere Männer versuchten hier ihr Können zu demonstrieren und wohl auch die Mädchen aus anderen Clans, Stämmen oder Gruppen zu beeindrucken. Zunächst stellten sie sich in breiter Front auf, so dass man an Schlachtformationen in alten Filmen („El Cid“) erinnert wurde.


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Dann begannen die Reiter ihre Spielchen. Am spektakulärsten wirkte es, wenn sie die Tiere im vollen Galopp zum Bremsen brachten.


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Fraglos machten die Tuareg in den letzten Jahrzehnten auch Schlagzeilen mit Aufständen, Überfällen oder Kriegen. Doch das war stets nur ein Ergebnis ihrer Unterdrückung – im Norden ihres Verbreitungsgebietes durch die Araber, im Süden durch sesshafte Bauernvölker wie etwa die Bambara, Songhai oder Dogon. Stets wurden sie am Ende gedemütigt, in ihren Rechten beschnitten und militärisch verfolgt. Man behandelt sie bis heute als Aussätzige, ähnlich wie andernorts in Europa die Sinti und Roma. So flüchten sie sich teils auch in einem wahhabitischen Islam – eine besonders puristisch-traditionalistische Auslegung der sunnitischen Glaubensrichtung (ähnlich wie in Saudi-Arabien oder Afghanistan.)


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Die Bilder entstanden teils mit einer Konica Minolta Dimage Z3 und teils mit der Konica Minolta Dynax 5D. Auf meine erste Sony (Alpha 300) stieg ich erst kurz danach um.
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Gruß Harald

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
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