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30.11.2011, 11:20 | #1 |
Registriert seit: 07.09.2003
Beiträge: 19.654
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Eine Frage des Stils - der Calvinize-Effekt
Moin, moin,
nachdem gerade in dem Thread "Workflow" die Frage nach der Wirkung des Bildstils aufkam, aber dort im Album sicherlich der flasche Ort für derartige Diskussionen ist, mache ich hier in Abstimmung und nach Rücksprache mit hennesbender, dem Photographen des Ursprungs-Thread, einen separaten Thread auf. Im Ursprungs-Thread ging es um dieses Bild. Hier soll es nicht darum gehen, die Person hennesbender oder nur seine Bilder zur Diskussion zu stellen (weder glorifizierend, noch bashend), sondern sich einmal stellvertretend über den Bildstil und seine Wirkung auszutauschen. Dat Ei
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"Wennde met dr Hääd löufs, häsde immer e Aaschloch vürm Jeseech." (Zitat Gerd Köster) "Wer mit Euch ist, ist nicht ganz bei sich." |
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30.11.2011, 11:45 | #2 |
Themenersteller
Registriert seit: 07.09.2003
Beiträge: 19.654
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So, nach den einleitenden Worten mache ich mal den Anfang und skizziere nochmal meine Gedanken, die mich bei diesem Bildstil beschäftigen.
Ich frage mich, wie dieser Bildstil auf weibliche Betrachter wirkt, welches Frauenbild er transportiert. Mich erinnern solche Bilder an die Titelbilder von "TV-Spielfilm" oder "Tv Movie", aber auch an Madame Tussauds - irgendwie gerendert. Ich zucke zusammen, weil man den Frauen ihr schönstes nimmt, nämlich ihr Wesen und ihre Natürlichkeit. Doch dazu gehört auch die Imperfektion. Diese Form von Perfektionswahn läßt den Frauen nichts oder nur wenig menschliches. Kann und darf so etwas Vorbild sein? Für die Frauen? Für uns Photographen? Oder muß/soll ich diese Überzeichung als Abstraktion oder gar Karikatur sehen? Dat Ei
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30.11.2011, 11:55 | #3 |
Registriert seit: 27.03.2004
Ort: 41352
Beiträge: 2.304
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Bilder haben verschiedene Ziele:
Dokumentieren, Schön sein, Ansprechend/Anregend sein, idealisieren, Ideen umsetzen, kreative Spielereien... Meiner Meinung nach sind dokumentierend und idealisierend konträr. Entweder entscheide ich mich für das reine Abbilden eines (beliebigen) Subjekts/Objekts, oder ich entscheide mich für die Inszenierung/Idealisierung. Für den ersten Part braucht es keine Bildbearbeitung. Für den zweiten Part ist EBV essentiell, da dort Standards herrschen. Diesen Standards muss man mindestens erfüllen. Praktisches Beispiel: Pickel und unreine Haut sind in der Fashion-Welt verpönt. Will ich ein Fashion-Bild machen, muss ich hinterher die Haut bearbeiten. Ebenso Farben und sonstige Styles. Die Entscheidung für oder wider eines Stiles ist dabei sehr subjektiv und im Prinzip dann die einzige Unterscheidung, die man hat. Mir persönlich gefällt dieser Calvinize-Effekt in Maßen ganz gut, da er wirklich ermöglicht aus einem nahezu normalen Schnappschuss eine Cover-Wirkung zu erzielen. Je besser das Ausgangsbild, desto stärker der Effekt hinterher. Allerdings sieht man sich auch schnell leid, wenn alle Bilder immer nur weich, blau, kontrastreich sind. |
30.11.2011, 12:37 | #4 | |
abgemeldet
Registriert seit: 18.01.2008
Ort: Berlin
Beiträge: 12.942
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Zitat:
Gespart wird übrigens ganz oft an der Visa. Die dürfen die Models selbst machen, das sieht man vielen dieser Fotos an, den Rest erledigt Photoshop. Beauty Shots sind in meinen Augen nicht selten Potjomkinsche Dörfer. Menschen die ich fotografiere dürfen "Makel", Ecken und Kanten haben - ja sie sollen sie sogar haben. Da bleibt der Leberfleck oder die Haarsträhne, wogegen letztere noch vor der Aufnahme da hin kommt wohin sie gehört. Gestempelt wird wo anders. Meine Fotos sollen die Menschen so zeigen wie sie sind. Ach ja, wenn mit den Bildern Geld verdient wird gilt das was ich schrieb natürlich nur sehr eingeschränkt oder gar nicht.
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dandyk.de |
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30.11.2011, 13:12 | #5 |
Registriert seit: 12.07.2005
Beiträge: 16.214
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Für mich transportieren solche Bilder überhaupt kein Frauenbild im eigentlichen Sinne. Für mich sind das gut gemachte Bilder von wunderschönen Frauen, ich schaue sie mir an, erfreue mich daran und käme im Anschluss niemals auf die Idee sie mit realen Frauen zu vergleichen. Warum auch? Heute weis doch fast jeder was mit EBV alles machbar ist und jeder weiß das es diese perfekt abgebildeten Frauen in Wirklichkeit eher selten gibt.
Als alltäglichen Vergleich nehme ich da mal diese Hollywoodschönheiten. Ich weiß nicht wie oft ich schon gehört habe: die möchte ich mal morgens ungeschminkt sehen, oder alles nur Fassade. Jeder weiß es und kaum jemand regt sich drüber auf, ist eben Hollywood. Alles nur Fassade und das gilt eben auch für solche Fotos. Ich mache mir mein Bild von Frauen von den Frauen die mir alltäglich so über den Weg laufen und ganz sicher nicht von irgendwelchen tollen Fotos. Sie mit solchen Bildern zu vergleichen käme mir niemals in den Sinn. Wo hier ein Problem sein soll werd ich nie verstehen und ich werd auch nie die Frauen verstehen die sich über sowas aufregen. Für mich zeugt das eher von Komplexen, die sich aber keine Frau antun sollte, den sie haben es nicht nötig. Komisch, das sich kein Mensch über griechische Mamorstatuen aufregt. Männer und Frauen die derartige Körper wie diese Kunstweke haben, sind auch eher an der Realität vorbei. und keiner regt sich auf, im Gegenteil, wir stehen bewundernd vor ihnen und staunen über deren Schönheit und das Können des Künstlers. Im Gegenteil, ich hörte da schon Frauen mit einem Seitenblick auf ihre Göttergatten sagen: da muss du aber noch anständig trainieren mein Schatz. Sowas sollten wir mal zu Frauen sagen.
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Gruß Guido A-Mount lebt! Es kommt anders wenn man denkt. |
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30.11.2011, 13:39 | #6 |
Registriert seit: 26.01.2010
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Beiträge: 554
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nun, frei nach Platon
ich finde diese Bilder zeigen eher die Idee einer Frau als die Frau selber. in der Mode ist das auch wichtig, eine individuelle Frau (bei Männern genau das gleiche) wird mehr von den Kleidern ablenken als eben so eine Idealisiert in der sich Idealerweise auch noch sehr viele Leute aus der Zielgruppe wiederkennen. ich glaube das ist momentan eine Mode, (also in der Modefotografie) und ich denke es wird sich auch wieder ändern, dann wird der nächste Trend generiert und nach ein paar Wochen und Monaten findet man das dann in der FC und auch bei uns. Handwerklich so etwas sauber zu machen wie es der Hennes macht ist gar nicht mal so einfach und so etwas verlangt mir Respekt ab.
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Mostly Harmless... |
30.11.2011, 14:01 | #7 |
Registriert seit: 30.11.2008
Beiträge: 3.407
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Die Aussage, dass Fashion- und Beautyfotografie in den seltensten Fällen eine fotografische Glanzleistung ist, wird wahrscheinlich richtig sein. Hilft aber nicht wirklich weiter. Das lässt sich nämlich auch für die Landschaftsfotografie, die Sportfotografie oder ganz allgemein für die Fotografie sagen. Es werden halt sehr viel mehr schlechte als gute Bilder gemacht.
Grundlage der Diskussion sollten denke ich vorzeigbare Beispiele in diesem Bereich sein. Mit verunglückten Beispielen diesen Bereich der Fotografie zu bewerten, ist mit Sicherheit nicht fair. Ich gehe daher auch mal von dem obigen Beispiel weg und werfe etwas besseres in die Runde: http://www.sebastianbruell.de/ Schaut euch die Strecken an (nehmt nur mal "Hair extreme"). Ich finde das größtenteils wunderschön und edel gemacht. Natürlich steckt da ne ordentliche Bildbearbeitung drin und die Dame wird morgens nach dem Aufstehen nicht so aussehen... Das Problem steckt aber doch eigentlich ganz woanders und wird auch oft diskutiert: In Magazinen, Plakaten usw. wird der Eindruck suggeriert, dass die Realtität abgebildet wird. Und der überwiegende Teil der Leute fällt drauf rein. Insbesondere die jungen Mädels. Die haben mit Photoshop nicht viel am Hut. Das stelle ich immer wieder fest. Die wissen nicht, dass die Figur in 5 Minuten verändert ist, Brüste vergrößert, Beine verlängert usw. usw. Deswegen habe ich überhaupt kein Problem eine ordentliche Beautyretusche durchzuführen (idR. sehr dezent - das obige Beispiel ist denke ich nicht mein typischer Stil). Die Bilder die ich - und viele andere - machen, sind in erster Linie für die Mädels bestimmt. Nicht für dieses Forum oder die Öffentlichkeit. Die Mädels erkennen dann, was man alles aus ihnen machen kann, wenn man sich nur die richtige Mühe gibt. So ein Bild baut das Selbstwertgefühl ungemein auf, weil man dann mal Foto mit Foto vergleichen kann und nicht als reale Person gegen ein "gephotoshopptes" Poster von Britney Spears antreten muss. Sie wissen dann, dass Britney Spears in Realität eher so aussieht wie sie (oder deutlich schlechter) und nur das Poster so viel besser war... Voraussetzung ist dann natürlich eine dezente Retusche! Und nicht dass wir uns falsch verstehen: 80-90% sind in der Aufnahme angelegt (Vorplanung, outfit, Pose, Licht, Aufnahmewinkel, Stimmung usw. usw.). Und ich gehe auch mal davon aus, dass das bei wirklich guten Beauty- und Fashionfotografen so sein wird (die gab es ja schon zu analogen Zeiten). Die Optimierung in Photoshop ist dann gar nicht so viel wie manche immer denken... Aus meiner Sicht sind diese Bilder für die fotografierten Mädels also heilsam! Und noch ein kleiner Nachtrag: Beim "Calvinize-Look" geht es häufig sehr viel mehr in den grafischen Bereich; da sind die Modelle manchmal nur "Staffage" und entscheidend ist der Bildlook... das ist in diesen Bildern so sehr erkennbar, dass da kein Frauenbild transportiert wird.. da ist dann wirklich nur noch die Frage, ob einem sowas gefällt oder nicht... mir persönlich gefällt sowas eher nicht. Ich mag es eigentlich dezenter.
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"Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber haben nicht den gleichen Horizont." (Mark Twain) Geändert von hennesbender (30.11.2011 um 14:38 Uhr) |
30.11.2011, 14:03 | #8 | |
Registriert seit: 19.05.2007
Beiträge: 966
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Zitat:
Und schauen wir doch mal in die Realität: Viele Frauen geben ihr Letztes und unterhalten damit mehrere milliardenschwere Industrien, um irgendwie an sich herumzubasteln. Da wird gecremt und gespachtelt, gewachst und lackiert, gefärbt und getönt, geformt und verdeckt was das Zeug hält. Die ganze Modeindustrie lebt von Formung des Außenbildes, von der Figurbetonung bis zur Veränderung von Gang, Haltung und Größe durch Absätze. Zudem üben sie Lächeln und Augenaufschlag vor dem Spiegel. Auch der Geruch ist nicht natürlich und individuell, sondern mit Wässerchen, Sprüherchen und Cremchen meist von der Stange oft bis zur Unkenntlichkeit anonymisiert und/oder idealisiert, je nach Sichtweise. Von den Chirurgen und Botox-Spritzern reden wir besser gar nicht erst. Was ist schon daran echt? Nur die Auswahl der Konsumgüter je nach Geschmack, Können und Geldbeutel. Die Menschen machen sich selbst zum Kunstwerk im Sinne von künstlich. Da ist so ein Beauty Shot nur ein weiterer Baustein. |
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30.11.2011, 14:55 | #9 |
Registriert seit: 12.08.2008
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Beiträge: 4.198
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Für mich hat das gezeigte Foto mehr etwas von einem Bild in Acrylfarben (Royo z.B.). Die Hautbearbeitung ist dabei der hauptsächliche Grund dafür - das wirkt eher gemalt denn fotografiert. Ich finde, dass man das Bild so auch nur bedingt als "Calvanized"-Style sehen könnte, weil ich da weniger den Eindruck des gemalten habe. Teilweise sogar gegenteilig - da werden Details fast unrealistisch betont. Allerdings muss ich auch ganz offen eingestehen, dass ich mich mit Calvin noch fast gar nicht befasst habe und daher möglicherweise ein falsches Bild davon hatte.
Die gezeigten Beautyfotos ("Hair Extreme") von Sebastian Bruell empfinde ich da als deutlich anders. Natürlich dürfte da auch einiges an Bearbeitung drinstecken, aber die Ergebnisse wirken noch Real - die Haut wirkt noch zum anfassen echt. Es ist sicherlich heute ein Problem, dass die idealisierte Darstellung von menschlichen Körpern in der Werbung einen negativen Effekt auf das Selbstbewusstsein vieler Menschen hat. Auch die immer mal wieder ausgegrabenen Fotostrecken mit "molligen Models" machen das nicht besser; verstärken eher noch den Eindruck, dass der normale Mensch etwas ganz ungewöhnliches sei. Ich war vor kurzem auf einer Burlesque-Show in Nürnberg - ganz tolle Darbietung übrigens - auch da hat man es in gewisser Weise mit einem idealisierten Frauenbild zu tun - nur eben teilweise recht unterschiedlichen Schönheitsidealen folgend. Die Idealisierung der Frau ist vermutlich so alt wie die Menschheit - ich denke es wäre falsch das generell zu verteufeln. Vielmehr ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema eher hilfreich. Da finde ich auch Hennes Ansatz, den Mädels ihr "innewohnendes Ideal" zu zeigen als sehr vielversprechend. Geändert von Neonsquare (30.11.2011 um 14:58 Uhr) |
01.12.2011, 10:32 | #10 | ||
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Beiträge: 8.667
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Moin moin,
ist ja schon irgendwie interessant, alle Antworten bisher - sind von Männern... Dann oute ich mich mal: Zitat:
Zitat:
Prost Mahlzeit.. Jegliche Individualität, vielleicht Wärme und Herzlichkeit, die Menschen und Menschlichkeit ausmachen, die Lebensspuren, die die fotografierte Person mit sich rumträgt, alles geht in solchen Umsetzungen für mich verloren! So genannte Perfektion, Namenlosigkeit, Einheitsbrei, mal in blond, mal in schwarz, kühle und neutrale Erscheinung - ist dies das Frauenbild, das die Menschen für erstrebenswert halten? Ist es tatsächlich das, was alle immer sehen wollen? Als reines Bild einer "Puppe" kann ich diese Bilder hinnehmen, als Darstellung einer (möglicherweise von manchem auch noch als tatsächlich ideale) Idee eines Frauenbildes schrecken mich solche Aufnahmen hingegen (immer mehr, je öfter ich sie sehe) ab. Leider lassen mich so manche Antworten sowohl in diesem als auch in dem anderen Thread darauf schließen, dass dieser in meinen Augen "verquere" Schönheitswahn nur deswegen in Medien und Magazinen immer stärker Fuß fasst, weil so viele die Darstellungen tatsächlich als ideal ansehen. LG, Hella
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